Wenn wir über Systeme in Bezug auf Phänomene, Psychologie und den Menschen sprechen, führt kein Weg daran vorbei, uns mit der systemischen Aufstellungsarbeit auseinanderzusetzen. Gerade in dieser spezifischen Form wird deutlich, wie ein System in Beziehung steht und welche Auswirkungen es auf den einzelnen Menschen in seinem Umfeld hat.
Die Aufstellungsarbeit selbst hat tiefgreifende und vielschichtige Wurzeln, die sowohl spiritueller, geistiger, als auch therapeutischer Natur sind. Beim Schreiben über die Geschichte der Aufstellungsarbeit wird deutlich, dass die Perspektive, aus der die Geschichte erzählt wird, von entscheidender Bedeutung ist. Ich selbst bin mir der zahlreichen Meinungsverschiedenheiten bewusst, wer eigentlich den Ursprung der Aufstellungsarbeit für sich reklamieren kann. Allerdings möchte ich mich darüber nicht in eine Diskussion verwickeln, denn ich selbst bin davon überzeugt, dass eine komplex miteinander verbundene Einheit vorherrscht.
Wenn wir jedoch über Aufstellungsarbeit und Systemen sprechen, so kommen wir an Hellinger nicht vorbei.
Bert Hellinger war ein deutscher Buchautor, Psychoanalytiker und „Familientherapeut“. Im Jahre 1952 wurde dieser zum Priester geweiht und war er viele Jahre lang Leiter einer südafrikanischen Missionsschule. Ab den späten 1970er Jahren entwickelte er, unter Abwandlung von Methoden der systemischen Familientherapie, mit seiner Form der Familienaufstellung, eine von ihm selbst als „Lebenshilfemethode“ bezeichnete Gruppenarbeit. Bei der Aufstellungsmethode nach Hellinger handelt es sich nicht um ein eigenständiges Verfahren der Psychotherapie. Das zugrunde liegende Konzept und Hellingers Umgang mit Klienten sind stark umstritten. Von zahlreichen Kritikern wurde Hellinger regelmäßig vorgeworfen, er wäre ein Scharlatan, da er über keine fundierte Ausbildung und niemals über eine kassenärztliche Zulassung verfügte, was heute als falsifiziert gilt.
In dieser systemischen Arbeit wird deutlich, dass das Verhalten eines Einzelnen innerhalb einer Gruppe, das Zusammenspiel und die gegenseitige Beeinflussung der Gruppenmitglieder, sowie das Verhalten zwischen verschiedenen Gruppen eine Wirkung erzeugen, die als weiterführende Erklärung für die Aufstellungsarbeit dienen kann.
Bei der klassischen Familienaufstellung nach Hellinger werden vom Aufstellenden möglichst Männer für Männer und Frauen für Frauen aus dem Kreis der Anwesenden stellvertretend für Familienmitglieder räumlich so angeordnet, dass sie der subjektiven Wirklichkeit des Klienten entsprechen. Daraus resultiere die Möglichkeit, das (vom Klienten) subjektiv erlebte Beziehungsgeflecht innerhalb seines (aufgestellten) Systems wahrzunehmen und Verstrickungen (dysfunktionale Beziehungskonstellationen) zu erkennen.
Die Prinzipien eines Systems
Hierbei ist es ebenso wichtig zu betonen, dass in der Bindung von Einzelpersonen innerhalb einer Gruppe sogenannte Ordnungsprinzipien zugrunde liegen. Diese Ordnungsprinzipien können gleichsam als Systemordnungen definiert werden und bedeuten zusammengefasst, dass ,,… eine Einheit, die aus dem Zusammenspiel von Elementen entstanden ist, bekommt als Gestalt ein eigenes Wesen, eine eigene Struktur und eine eigene Beschaffenheit. Alle Organismen und die von ihnen gegründeten Gruppen sind offene Systeme. Als solche sind sie auf den Austausch mit dem Umfeld angewiesen. Die beiden Grundfunktionen von offenen Systemen sind Selbsterhalt und Weiterentwicklung. Diese funktionieren wiederum nach vier Prinzipien:
- Komplexität,
- Gleichgewicht,
- Rückkopplung,
- Selbstorganisation.
Recherchiert man in diversen Büchern und versucht einen erweiternden Blickwinkel einzunehmen, so erkennt man schnell folgende Tatsache:
Systeme durchdringen alles, und ihre Wirkung erstreckt sich sowohl im Makrokosmos, als auch im Mikrokosmos.
Die Erde, als Teil unseres Sonnensystems unterliegt unsichtbaren Kräften, die sie in ihrer Bahn um die Sonne und in ihrer steten Rotation halten, ebenso wie die anderen Planeten. Als integrierter Bestandteil dieses Ganzen ist sie den Gesetzmäßigkeiten im Sonnensystem unterworfen, und jede bedeutende Veränderung dieses fein abgestimmten Gleichgewichts könnte katastrophale Auswirkungen auf das menschliche Leben haben. Gleichzeitig bildet die Erde selbst ein eigenes Ökosystem. Die Kräfte, die hier wirken, und ihre feinfühlige Interaktion fallen uns oft erst auf, wenn das Gleichgewicht gestört ist, sei es durch das Abschmelzen polarer Eismassen oder das Anwachsen von Schadstoffen in der Luft, was zum Sterben von Wäldern führt. Ähnlich verhält es sich im System des Menschen: ,,… In unserem Körper spielen sich kontinuierlich komplexe Abläufe ab, die uns unbemerkt gesund und am Leben erhalten. Erst wenn diese Abläufe nachhaltig gestört sind, wird uns ihre Existenz bewusst.“
Erklärungsversuche zur systemischen Wirkung
In Systemen ist also alles auf irgendwie geheimnisvolle Weise miteinander verbunden. Meistens nehmen wir dies als selbstverständlich hin und leben damit. Die Drehung der Erde bringt Tag und Nacht, und wir passen unseren Schlafzyklus an. Die Umlaufbahn der Erde um die Sonne sorgt für Sommer und Winter, die Anziehungskraft des Mondes beeinflusst Ebbe und Flut, und selbst heftige Eruptionen der Sonne stören den Funkverkehr. Egal auf welcher Ebene wir Systeme betrachten - sei es das Sonnensystem, das Ökosystem Erde oder das System Mensch - ihre Vorgänge sind äußerst komplex und folgen bestimmten Gesetzmäßigkeiten. Obwohl einige Vorreiter und bedeutende Denker die systemische Arbeit geprägt und weiterentwickelt haben, bleibt selbst in der Gegenwart die genaue Ursache dafür, warum diese Methode der Arbeit mit Menschen sich so entfaltet und wirkt, unsicher. In einigen der vorherigen Ansätze, die in den vorangegangenen Kapiteln beschrieben wurden, wird jedoch deutlich, dass unsere Welt von mehr umgeben ist, als wir nur erahnen oder berechnen können. Einiges scheint selbst in der heutigen Zeit für den Verstand nicht vollständig verständlich zu sein. Dennoch, wenn wir die in diesen Ansätzen beschriebenen Elemente hinzunehmen, betreten wir bereits einen Bereich, der genauso schwer zu beschreiben ist, wie er nur anzudenken ist. Es sind die Grenzwissenschaften und mystischen Aspekte, die uns hier und da umgeben und den Grund dafür bilden, warum Systeme in ihrer Wirkung so komplex sind. In diesem Raum offenbart sich eine Realität, die nicht nur schwer fassbar, sondern auch schwer in Worte zu fassen ist.
Tatsächlich können wir jedoch das Zusammenspiel von einzelnen Menschen in systemischen Vorgängen anhand der Spiegelneuronen etwas erklären:
Spiegelneuronen sind nun die Kandidaten, die als Verantwortliche für diese Fähigkeit hoch gehandelt werden. Sie zählen zu den neuen, spannenden Entdeckungen unserer Zeit und werden mit Phänomenen aus sozial-kognitiven Kontexten wie Lernen, Emotionen und vor allem Empathie in Verbindung gebracht. Spiegelneuronen wurden erstmals Anfang der 90er Jahre entdeckt (Rizzolatti u. a. 1999, 1996; di Pellegrino u. a. 1992). Rizzolatti und seiner Gruppe fiel bei der Untersuchung von Makaken auf, dass spezielle Neuronen (Nervenzellen) im Gehirnbereich des motorischen Cortex dann feuern, wenn bestimmte zielgerichtete Handlungen durchgeführt werden.
Spiegelneuronen lassen sich damit in Beziehung zu den ‚Bauchgefühlen’ bringen, obwohl sie im Gehirn angesiedelt sind. Etwas löst einen Eindruck aus, der zumindest auf den ersten Blick nichts mit Wiedererkennung und Einsicht zu tun hat, sondern einen anderen Ursprung zu haben scheint. Gleichwohl können Spiegelneuronen beteiligt sein, wenn soziale Systeme unter Anwesenheit des Fallbringers gestellt werden. Nach der Theorie der Spiegelneuronen ist es vorstellbar, dass die Repräsentanten die verdeckten Gedanken des Fallbringers erfassen und spiegeln können. Das ‚Wie’ bleibt hier die finale Frage.
Eine wahre und systemische Geschichte
Liebe Leser, angesichts der umfassenden Erklärungsversuche möchte ich euch eine wahre Geschichte erzählen, die sich nach Recherchen tatsächlich in dieser Form bewahrheitet hat.
Ein altes Sprichwort aus Jugoslawien besagt: „Väter, die Sünden begehen, werden deren Auswirkungen an ihren Kindern erkennen.“
Vor langer Zeit herrschte Krieg im Lande Jugoslawien. Ein General verbarrikadierte sich mit seinen Truppen in den Ruinen einer Stadt, um die nächsten Pläne zu schmieden – Pläne, die die Eroberung des russischen Stadtviertels in feindlichem Gebiet beinhalteten. Der General wusste um den täglichen Konvoi und den Fußmarsch der Russen, der über die einzige Brücke in die Stadt führte. Ebenso wusste der General, dass das Gebiet, das die Russen bewohnt hatten, nicht als bedrohlich eingestuft wurde. Die Russen hatten das Stadtviertel einst eingenommen, um den Einwohnern Hilfe zu leisten. Der General wollte dennoch einen Stern mehr auf seiner Uniform und entschloss sich dazu, den Konvoi abzuschneiden, sodass er mit seinen Truppen vorrücken könnte, um die Russen zu töten. Gedacht - getan. Da der Konvoi einzig aus Fußsoldaten bestand und die Brücke niemals bewacht wurde, brachte der General einige Bomben an der Brücke an und wartete nur noch auf den erwarteten Konvoi und den Fußmarsch der Russen. Als die Russen über die Brücke marschierten, wurde diese sofort in die Luft gesprengt. Es starben 78 Russen auf dem Weg in die Stadt um den Einwohnern Brot und Milch zu bringen. Der General eroberte anschließend das Stadtviertel und strich auch die Lorbeeren bei seinen Vorgesetzten ein, für seine Heldentat.
Als der Krieg vorbei war und die Jahre vergingen, wusste der General immer noch über seine damalige Tat Bescheid. Er erkannte, dass dieser Mord an den Russen lediglich ein persönlicher Akt für sein eigenes Ansehen gewesen war, der ihm einen Stern eingebracht hatte. Jahre danach wurde der ehemalige General zunehmend wütender über seine Tat, und sein schlechtes Gewissen verstärkte sich zusehends.
Er hatte einen Sohn im Alter von zwanzig Jahren. Eines Tages ging dieser über die Brücke, um seinem Vater ein Geschenk für dessen 60. Geburtstag zu kaufen. Als er die Brücke mit seinem Auto überquerte, geschah etwas Seltsames. Der Motorblock seines Autos fing Feuer. Der Sohn des ehemaligen Generals erschrak und lenkte sein Auto gegen das Brückengeländer. Das Fahrzeug überschlug sich und fing Feuer, was ihm auch das Leben kostete. Der Sohn des ehemaligen Generals starb an diesem Tag auf der Brücke.
Als der Vater vom Tod seines Sohnes auf dieser Brücke hörte, fiel er auf die Knie und weinte in bitterer Trauer und Demut. Er blickte in den Himmel und wusste, dass der Unfall seines Sohnes die Strafe für seine damalige Tat gewesen sein musste.
Am selben Tag des Unfalls nahm sich der Vater das Leben.
Nun, dies ist eine Geschichte, die mir ein älterer Herr erzählt hat, als ich vor einigen Jahren durch Jugoslawien gereist war. Doch ist es tatsächlich möglich, dass wir solche Auswirkungen erfahren können? Ist es wirklich möglich, dass uns unsere "schlechten Taten" wieder einholen? Im Osten Europas glauben die Menschen jedenfalls daran.
In der Betrachtung dieser Geschichte aus philosophischer Perspektive, wie bereits im Kapitel "Systeme wirken ebenso" erläutert wurde, offenbart sich ein weitreichenderer Zusammenhang als nur das Unglaubliche oder nicht Erklärbare. Durch die systemischen Grenzbereiche und die Erklärungsmodelle in diesem Buch wird deutlich, wie komplex, aber gleichzeitig auch einfach unser Dasein strukturiert ist. Es scheint, als bedürfe es einer fortwährenden Heilung, sowohl des eigenen Geistes als auch unserer individuellen Geschichten, die wir täglich mit uns tragen. Der Philosoph könnte argumentieren, dass die Geschichte als Spiegelbild der menschlichen Existenz fungiert, in der Handlungen und Entscheidungen weitreichende Auswirkungen haben können. Die systemischen Zusammenhänge, die hier angesprochen werden, spiegeln möglicherweise die Verflechtungen von Ursache und Wirkung in unserem Leben wider. Die Komplexität und Einfachheit des Seins werden als ineinander verwobene Elemente betrachtet, die eine ständige Balance und Aufmerksamkeit erfordern. Der Gedanke an die fortwährende Heilung des eigenen Geistes und der individuellen Geschichte kann als Appell zur Selbstreflexion und zum Verständnis unserer Handlungen interpretiert werden. Der Philosoph könnte weiterhin betonen, dass die Wechselwirkung zwischen persönlichem Handeln und den daraus resultierenden Konsequenzen eine grundlegende Dynamik des menschlichen Lebens darstellt, die es zu verstehen und zu lenken gilt.
„Angesichts der Tatsache, dass alles zusammengehört, letztendlich desselben Ursprungs ist, nur ein scheinbares Paradoxon, das den Menschen in seiner Ganzheitlichkeit formt, in Symbiose mit Inneren und äußeren Mysterien des Menschen.“ Marcus E. Levski
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buch@marcus-levski.at
Ein Beitrag von Marcus E. Levski
Quellen:
https://de.wikipedia.org/wiki/Bert_Hellinger
gl. Marco de Carvalho, Jörgen Klußmann, 2010: Konfliktbearbeitung in Afghanistan. Die Systemische Konflikttransformation im praktischen Einsatz bei einem Großgruppenkonflikt (PDF; 791 kB), S. 35.
Stephanie Hartung und Wolfgang Spitta; Lehrbuch der Systemaufstellungen, Seite 190 ISBN:978-3-662-61192-0
Marlies Holizka und Elisabeth Remmert: Systemische Familien-Aufstellungen. Eein Praxishandbuch nach Bert Hellinger und anderen. Seite 15
Thomas Gehlert: System-Aufstellungen und ihre naturwissenschaftliche Begründung
Grundlage für eine innovative Methode zur Entscheidungsfindung in der Unternehmensführung. Seite 241
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