Die sagenhafte weiße Frau
Ein europaweites Phänomen der Sage
Von Peter Kneissl
Die Sagengestalt der Weißen Frau:
Nachdem ich bereits am 2. März 2018 auf kollektiv.org über den Sagenstoff der Weißen Frau und deren Auftreten in den Sagen der österreichischen Bundesländer gehandelt habe, wollen wir den Panoramablick ein wenig in die Nachbarländer schweifen lassen. Nochmals zum Erinnern: Zahlreich sind die Überlieferungen und Legenden, in welchen ominöse weiße Frauen als Mahnerinnen und Warnerinnen auftreten. Nicht immer ist es möglich dem Phänomen eine historische Frauengestalt zuzuordnen, aber spannend ist die Beschäftigung damit allemal. Weiße Frauen in Österreich sind an folgenden Orten bezeugt:
Schloss Greillenstein, Burg Bernstein, Schottenstift in Wien, im Kärntner Glödnitztal und für die Steiermark Schloss Forchtenstein, die Kirche von Saurau, Schloss Obermureck, Schloss Mallegg bei Murau, Wildon und die Branstatt bei Allerheiligen im Mürztal.
Zum eingehenderen Nachlesen sei auf den Kollektiv – Artikel vom 2. März 2018 verwiesen.
Weiße Frauen in Deutschland:
Die Weiße Frau der Hohenzollern ist Kunigunde, Witwe nach Graf Otto von Orlamünde, die sich in den Nürnberger Burggrafensohn Albrecht den Schönen verliebt hatte. Er war auch bereit sie zu heiraten, wenn dieser Verbindung nicht vier Augen im Wege stehen würden. Kunigunde missverstand die Botschaft und tötete ihre beiden Kinder. Albrecht der Schöne hatte jedoch die Eltern seiner Braut. Zur Strafe für den doppelten Kindermord muss sie lebenslang umgehen und wird
wohl für immer unerlöst bleiben. Sie ist diejenige unter den Weißen Frauen, die auch auf den meisten Burgen der Herrscherfamilie der Hohenzollern erschien, so auch im Jahre 1713 im Berliner Stadtschloss dem Preußenkönig Friedrich I.; zudem 1806 in der Heidecksburg bei Rudolstadt in Thüringen und der Markgräfin Wilhelmine von Bayreuth, der Lieblingsschwester König Friedrichs II. von Preußen. In den Räumen und Korridoren des Schlosses Friedrichstein bei Gotha erscheint vor jedem Unglücksfall der Geist der verstorbenen Herzogin Dorothea Maria von Anhalt. Im Schloss von Stettin erscheint als Weiße Frau der Geist der im Jahre 1620 hingerichteten Sidonia von Borcke. Jakobe von Baden, die am 3. September 1597 ermordet im Schloss von Düssedorf aufgefunden
wurde, geht auch heute noch dort um. Allerdings steht heute von der weitläufigen Anlage nur noch
der Düsseldorfer Schlossturm. Weitere Nennungen für Deutschland sind für die Starkenburg bei Heppenheim, Burg Wolfsegg in der
Oberpfalz, Burg Bentheim, Burg Rötteln, die Schwanenburg in Kleve, Coburg, Halle an der Saale, Darmstadt, Tonndorf in Thüringen, Altenburg, Schloss Harkotten, Leuchtenberg, Schloss Neuenburg bei Freiburg, Ludwigsburg, Schloss Eberstadt bei Buchen, Burg Krems, Trier, Böddeken bei Paderborn, dem Burgareal von Flensburg und Schloss Hackhausen belegt. Zumeist geht es dabei um unerlöst gebliebene Seelen von Frauen, die aufgrund von unerfüllter und
unerwiderter Liebe ein unrühmliches Ende fanden.
Estland nennt um die Kathedrale von Haapsalu eine besondere Legende um eine weiße Frau sein Eigen. Einst musste im dortigen Domkapitel jeder Kanoniker das Gelübde der Keuschheit einhalten – ein Domherr ließ seine Geliebte jedoch heimlich als Mönch in das Stift einschmuggeln. Als ihr wahres Geschlecht offenbar wurde, ließ man den männlichen Frevler verhungern, dass junge Mädchen wurde um sein Leben wimmernd eingemauert. Ruhelos ist heute noch ihr Geist dort zu beobachten.
Slowakei:
Im Rathaus von Levoca geht heute noch der Geist von Julianna Korponay - Geczy (1680 bis 1714, die obwohl verheiratet, zudem in einen Kommandeur der kaiserlichen Truppen, welche seit dem Jahr 1709 die Stadt belagerten. Aus Liebe zu ihm ließ sie die Feinde in die Stadt Levoca hinein. Ihr Liebhaber dankte es ihr jedoch schlecht: Am 25. September 1714 wurde Julianna auf Befehl des Kaisers in Györ enthauptet.
Sagen um Weiße Frauen sind auch für Bratislava und Schloss Bojnice belegt. Für die Stadt Bratislava erscheint die Weisse Frau nicht als Warnerin, sondern hilft verirrten Personen wieder ihren Heimweg zu finden.
Für Frankreich finden wir folgende Belege für die Sagengestalt der Weißen Frau: Chateau de Arlempdes, La Boursidiere, Chateau Fougeres - sur – Bievre, Chateau de Froeningen, Ruine Hohenbourg, Chateau de Landreville, Kloster Mortemer, Burg Pouance, Burg Puilaurens, Chateau Puymartin und Chateau de Trecesson.
Bei all den genannten Örtlichkeiten erscheinen die Weißen Frauen als Opfer unglücklicher Liebschaften oder durch Verrat und Ausnützung ihrer Gutmütigkeit.
England: Aus der Vielzahl der Geisterscheinungen in Großbritannien, Irland und Schottland ist es eine lohnende Aufgabe die Erscheinungen der Weißen Frauen auszusondern.
Auf Castle Huntly bei Dundeee in Schottland wurde des Öfteren eine Weiße Frau beobachtet, auch sie ein Opfer unstandesgemässer Liebe.
Ähnlich erging es Lady Dorothy Southworth als Weiße Frau von Samlesbury. Martha Jane Bury (1850 bis 1913), eine äußerst engagierten Kämpferin für die Rechte von Arbeiterfrauen dient als Namensgeberin für das White Lady in Lancashire – ein Grabmal auf dem dortigen Friedhof, worum noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine Legende voll von Vergewaltigung und Kindstod gewoben wurde. In Arundel Castle irrt ein Küchenmädchen durch den Schlosshof, welches sich aus unglücklicher Liebe vom Schloßturm gestürzt hatte.
In Stirling Castle erscheint eine frühere Zofe der schottischen Königin Maria Stuart als Weiße Frau. In York, in der Holey Trinity Church, erscheint der Geist einer einstigen Priorin, die sich den Regierungsbeschlüssen König Heinrichs VIII. von England widersetzt hatte. In Raynham Hall bei Falkenham erscheint – in farblicher Variation - eine Braune Frau. Manchmal sieht man sie dort am Klavier sitzen. Einst schoss ein Gast auf die Erscheinung, die Kugel steckt noch heute im Türrahmen.
Fazit:
In nahezu allen Sagenkreisen der zentraleuropäischen Länder ist die Weiße Frau häufig anzutreffen. Meist erscheint sie als Warnerin vor drohendem Unheil, Feuergefahr und allerlei Unheil. Nur in seltenen Fällen sorgt sie sich um Verirrte und tritt vor allem gegenüber Kindern als Wohltäterin auf.
Literatur:
Avenarius, Wilhelm: Rund um die Weiße Frau. Ein Geister – Handbuch. Sigmaringendorf, 1987.
Grässe, Johann Georg Theodor: Sagenbuch des Preußischen Staates, Band I. Glogau, 1868 – 1871.
Griepentrog, Gisela: Berlin – Sagen. Berlin, 2010.
Kraußold, Lorenz: Die weiße Frau und der orlamündische Kindermord. Erlangen, 1869.
Minutoli, Julius von: Die Weiße Frau. Geschichtliche Prüfung der Sage und Beobachtung dieser
Erscheinung seit dem Jahre 1486 bis auf die neueste Zeit. Berlin, 1850.
Reichold, Andreas: Die Ehrenrettung der Kunigunde von Orlamünde. Hof, 1956 / 1957.
Wähler, Martin: Die Weiße Frau. Vom Glauben des Volkes an den lebenden Leichnam. Erfurt, 1931.
Wilpert, Gero von : Fontane und die Weiße Frau. Stuttgart, 1994.
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